Gerds Eisarsch 2024

02. Februar

Nach kleinteiliger und dementsprechend wochen- bzw. monatelanger Vorbereitung (gut Ding will halt Weile haben, sagt der Mann mit dem Kontrollzwang) war es endlich soweit:

Das Jialing-Gespann nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet, die Klamotten gepackt, Werkzeug, Ersatzteile und Material zusammengestellt, das Gespann auf dem Anhänger, das Auto beladen und vollgetankt…an alles gedacht? Ja, ganz bestimmt! Alles fertig, und auf geht’s!

Erster Stopp am Rastplatz Klosterholz, wo ich, aufgeregterweise eine halbe Stunde zu früh, auf Norbert und Christian warte, die aber auch schon 10 Minuten später dort eintreffen, ok, ich bin offensichtlich nicht der Einzige mit ungeduldiger Vorfreude…

Nicht sehr überraschend sind wir dann auch die Ersten am Auerhahn und beginnen mit dem Abladen, als ein MZ-Rattengespann auf den Parkplatz einbiegt, Matze, wie sich herausstellt, der von Brandenburg auf eigener Achse zum Auerhahn gekachelt ist. Als dann auch noch Rainer mit seiner ETZ auf dem Anhänger vorfährt, ist der Teil der Hüttenbesatzung, der die Fähre Kiel-Oslo auch in einer Viererkabine benutzt, komplett. Nach und nach trudeln noch einige andere der Eisärsche ein.

Offensichtlich war der neue Koch des Auerhahns gerade in Raucherpause, als der Begriff „Kundenorientierung“ erklärt wurde und lässt uns in wirklich usseligem (kalt, nass und windig für die Leute außerhalb NRWs) Wetter noch bis eine Viertelstunde nach der angekündigten Öffnungszeit frierend draußen vor der Tür stehen, bevor er sich bequemt, die Tür mal endlich aufzuschließen…naja…

Einchecken, Zimmer beziehen, ein paar Kaltgetränke, gehaltvolle und tiefsinnige Gespräche und Abendessen…die Zeit vergeht flott, während nach und nach der noch fehlende Rest eintrifft, bis dann Bettzeit angesagt ist.

03. Februar

Nach unruhiger Nacht, was weniger der Vorfreude, als dem tüchtig ums Haus pfeifenden Wind geschuldet ist, wird gemütlich gefrühstückt, aufgerödelt und, bei besserem Wetter als am Vortag, in Richtung Fährhafen aufgebrochen, wo uns das alljährliche Verabschiedungs- und Begrüßungsteam aus Heide, standesgemäß mit dem Gespann vorgefahren, bereits erwartet. An dieser Stelle einmal vielen Dank an die Familie Weinerdt, ich finde das eine sehr schöne Tradition!

Aus allen Ecken tauchen nach und nach A4-gewandete altbekannte Windgesichter, aber auch neue Gesichter auf, großes Hallo allerorten. Beim Einchecken für die Fähre das übliche Spiel:

Die unseren Gespannen zugewiesene Spur wird immer wieder von Autofahrern, die offensichtlich das System nicht verstanden haben, benutzt und blockiert, anfangs noch von dem augenrollenden Steward auf andere Spuren abgeleitet, bis dann hinterher alles kreuz und quer steht und die Gespanne dann hinterher doch noch einmal sortiert und gesammelt werden müssen, bevor es letztendlich auf die Fähre geht.

Auffällig, so im Nachhinein, die zu diesem Zeitpunkt alle noch blitzsauberen Gespanne…

Die Moppedklamotten gegen zivile Kleidung getauscht, ein Foto der Fahrzeugdecknummer gemacht, -sicher ist sicher-, die Kabinen bezogen und aufs Oberdeck, die Aussicht genießen.

Als dann die ersten schon bei Pommes, Burger und Bier in der Burgerbar sitzen, macht die Geschichte die Runde, dass der Letzte von uns, Cläuschen, sich zeitlich etwas verkalkuliert und wohl noch gerade eben rechtzeitig vor dem Ablegen auf die Fähre gekommen war…na prima, endlich, alle Mann sind an Bord, es kann losgehen, Oslo, wir kommen!

Der ein oder andere nimmt sich ne Mütze Schlaf, der Rest lungert irgendwo auf dem Schiff rum, bis man sich dann später in den verschiedenen Ecken trifft, wo man eher durchschnittliches Bier, genannt „Fat Öl“, zu echt überdurchschnittlichen Preisen erwerben kann…willkommen in Norwegen!

So schlägt man die Zeit mal wieder mit gehaltvollen und tiefsinnigen Gesprächen tot, bis es Zeit für die Koje ist.

04. Februar

Nach etwas unruhiger Überfahrt laufen wir dann mit 40 Minuten Verspätung in Oslo ein, um dann noch als Letzte vom Schiff gelassen zu werden, sodass wir erst um 11:30 Uhr aus dem Fährhafen starten können.

Das Team „Rhein/Ruhr“ sammelt sich zur Abfahrt, – wir fahren alle in kleineren Gruppen -, und besprechen, wie und auf welchem Weg wir fahren wollen.

Matze erzählt dann etwas verschämt, seine 54jährige MZ sei etwas schwach auf der Brust, obwohl oder eben weil sie ziemlich fett abgestimmt sei, jedenfalls könne er, „…je nach Steigung und Gegenwind nicht für eine dauerhafte Höchstgeschwindigkeit jenseits der 70 km/h garantieren…ach ja, und die säuft wie ein Loch, etwa alle 100 km müsste ich am besten tanken!“.

Naja, unser Zeitplan, um im Hellen am Haus anzukommen, war eh vorher schon im Sack, dann macht das auch nix mehr…meine eigene Zweitaktemmenzeit war mir noch in guter Erinnerung, also hänge ich ihn hinter meine hoch bepackte Jialing, die eine tüchtige Wirbelschleppe und damit auch die Rattenemme hinter sich herzieht und mache das Pace-Car mit 75 km/h über die Autobahn. In Elverum machen wir eine Tank- und Trinkpause und wollen dann die leichtere Strecke über Trysil nehmen. Die Strecke über Rena und Akreströmmen ist zwar wesentlich schöner, aber fahrerisch etwas anspruchsvoller; sie wird wohl noch schöner, wenn wir da ohne volle Beladung herfahren, wozu sich sicherlich noch die Gelegenheit ergeben wird.

In Elverum treffen wir dann auch noch die Krefelder Russengang, die sich dann aber wieder vom Acker macht.

Vorsichtshalber rüsten wir in Trysil noch auf Spikes um, während das Tageslicht immer dünner wird und wir uns dann, schon in ziemlichem Dämmerlicht, auf den Weg zur letzten Tagesetappe machen.

Auf halber Strecke zum Haus, es ist mittlerweile dunkel, laufen wir dann auf Georgs blinkende, am Straßenrand stehende Gruppe auf, die die beiden Gespann-Anfängerinnen Claudia und Gitti mit sich führt…oh je, eine Panne?

Nein, Georg selbst läuft etwas unentspannt umher, weil er einer Visierhalteschraube verlustig gegangen ist, überhaupt gar nicht lustig, sowas!

Glücklicherweise ist es nur eine metrische Schraube, die fehlt, an Zollschrauben hätte ich nur die Längen für meinen amerikanischen Helm dabeigehabt; so war eine passende Schraube mit passender Unterlegscheibe schnell gefunden, Georg muss nicht mit provisorisch zugeklebtem Visier weiterfahren und so kann es dann weitergehen.

Im Stockfinsteren kommen wir dann endlich an der Unterkunft an, ich selbst tüchtig hungrig, was mich oft schlecht gelaunt und leicht reizbar macht, was meine Hüttengenossen leider direkt zu spüren bekommen…hmpf, naja…sorry!

Wir rödeln ab und beziehen unsere Zimmer, bevor wir uns das erste Zielbier gönnen. In ziviler Kleidung machen wir uns auf ins Haupthaus, wo das traditionelle „Erster-Abend-Essen“, Köttbullar, auf uns wartet…danach ist die Welt für mich auch wieder in Ordnung.

Wir erfahren auch, dass mittlerweile alle heil angekommen sind, Brittas roter Ish-MZ-Bastard allerdings mit Motorschaden auf Mathieus Anhänger…Mist, das fängt ja gut an, hoffentlich ist das reparabel…aber, für den Fall wird ja, mittlerweile traditionell, ein MZ-Reservemotor mitgeführt…

Mit dem ein oder anderen Bier und den üblichen Heldenerzählungen klingt der Abend dann aus.

Ab, früh ins Bett, am nächsten Morgen ist für ein Dutzend Leute eine Tour nach Schweden zum Snowmobilfahren angesagt.

05. Februar

Morgens vor dem Wecker wach geworden, in der Küche sitzt schon Matze mit der Kaffeetasse in der Hand, deutet auf eine Thermoskanne und meinte, da sei frischer Kaffee drin…wie geil!

Der Igel-Jens hatte in der Nachbarhütte schon mal Kaffee gekocht und uns auch welchen rüber gebracht…da soll noch jemand sagen, senile Bettflucht sei für gar nix gut! 🙂

Der erste Blick gilt nun dem Thermometer am Küchenfenster, klarer Himmel, es wird ein toller Tag!

Na, -21°C, das sieht ja schon richtig nach Winter aus, und genau dafür sind wir ja schließlich hier!

Wird spannend, zu sehen, welche Auswirkungen das auf das morgendliche Startprozedere haben wird…

Ok, also los, unter die Dusche, zivile Klamotten anziehen und rüber ins Haupthaus zum Frühstück dackeln, wo schon die ersten Startvorbereitungen im Gange sind:

Warmgehaltene und/oder aufgeladene Batterien werden aus dem Haus geschleppt, Verlängerungskabel über den Hof gezogen, Benzinkocher fauchen lustig unter Motorgehäusen…

Zu dem Zeitpunkt bin ich, was das Starten der Jialing angeht, noch völlig entspannt, hab ja alles vorbereitet, was man für diesen Fall machen kann: Autobatterie im Kofferraum, Anlasser überholt und geschmiert, dünnes Winteröl im Motor…das wird schon klappen!

Nach dem Frühstück wieder zurück zur Hütte, Zündschlüssel rein, Zündung an, bsssss-plock! Die Benzinpumpe funktioniert schomma, Starter gedrückt, ssssss…hm, der Anlasserfreilauf auch, allerdings nur der…aber, nach dem dritten Versuch sprang der chinesische Einzylinder an und lief auch direkt durch, ha, braves Mädchen!

Beim Griff an den Lenker macht sich aber schlagartig Ernüchterung breit: Die Lenkung ist eingefroren, komplett unbeweglich und bombenfest! Naja, vielleicht gibt sich das ja durch’s Warmlaufen, während ich mich anziehe…

Norbert zieht ein langes Gesicht, seine BMW zickt und will trotz der fetten 70Ah-Batterie nicht anspringen. Dieses Verhalten habe ich in den letzten Jahren öfter bei den Zugmaschinen des deutschen Premiumherstellers beobachten können, da hilft wohl wirklich nur eine vorherige Erwärmung von außen…

Auch Hannes mit seinem überbreiten BMW-Schwertransporter, genannt „Die Zierliche“, hat Probleme: Sein Motor macht ebenfalls keinen Mucks!

Matze ist mit dem Heißluftgerät zugange, weil der Kickstarter seiner Emme nicht greift, und bald schon ertönt das gewohnte „Rääng-teng-teng“, na, es geht doch!

Auch Rainers Emme rängdengelt derweil vor der Nachbarhütte fröhlich vor sich hin, meine Lenkung ist mittlerweile auch wieder freigängig und so machen wir drei uns auf die Reifen zum Haupthaus, wo man sich zur Abfahrt aufstellt.

Rudi, der Namensgeber der bei den Eisärschen so beliebten Kunstflugfigur, mit seinem „Monstertruck“ wird unsere Gruppe anführen und Matze direkt hinter sich halten, wodurch das zu fahrende Tempo eher moderat zu werden verspricht, gut so, man muss sich ja erst wieder einfahren…

Nahezu gleichzeitig kommen die beiden Gruppen bei reinstem Kaiserwetter im schwedischen Skigebiet an, großes Hallo, man kennt uns bereits hier; mal eben durchgezählt, einer fehlt noch, unser Druide, wo ist der eigentlich? Der Versuch, ihn anzurufen, ist erfolglos, hm, naja, dann eben nicht!

Die üblichen, liebevollen Lästereien machen die Runde, es würde wohl bestimmt an den neuen, nun wasserdichten Kerzensteckern, die er nach vier Jahren immer wiederkehrender Störungen, die ihm schon den Beinamen „Herr des Elmsfeuers“ eingebracht hatten, dann doch endlich ausgetauscht hatte, liegen…so ne Ural kann man mit sowas durchaus schon so erschrecken, dass sie dann einfach nicht mehr anspringt!

Ein paar Formalitäten, eine kurze Einweisung in die Bedienung der Snowmobile und das erwünschte rücksichtsvolle Verhalten kreuzenden Langläufern gegenüber, und dann geht’s auch schon, ein Guide vorn, einer hinten, los auf die Piste.

Die erste Kreuzung einer Langlaufloipe lässt nicht lange auf sich warten, eine Gruppe junger Leute überquert den Kreuzungspunkt, um sich dann, direkt hinter der Kreuzung, einer nach dem anderen auf der Loipe abzulegen, bis dort sechs Leute lachend auf einem Haufen liegen…als keiner mehr kommt, fahren wir alle über den Kreuzungspunkt und kacheln durch den Wald. An einem zugefrorenen See machen wir eine Pause, wo wir die Snowmobile untereinander tauschen können, um die unterschiedlichen Motorkonzepte, 2T und 4T, auf der verschneiten Eisfläche zu testen.

Die Tourguides haben heißes Wasser mitgebracht, damit lässt sich unter Verwendung von zu viel löslichem Kaffee ein pupillenerweiterndes und Nasenbluten verursachendes Gebräu herstellen, wie ich feststellen muss…Mist, ich hätte eine Thermoskanne mit normalem Kaffee mitnehmen sollen!

Einen Halt auf der Bergkuppe zum Schluss sollten wir noch machen, um ein paar Fotos zu schießen, meint der Tourguide. Auf dem Weg dorthin verlieren wir erst Rudi, der einen falschen Abzweig nimmt; als er, vom zweiten Tourguide eingefangen, wieder bei uns ist, verfehlt der CX-Michel die Spur und versenkt das doppelt besetzte Snowmobil im Graben, was wir aber, -mit sowas kennen wir uns schließlich aus, haha-, mit vereinten Kräften geregelt bekommen.

Oben auf der Kuppe verbringen wir etwas Zeit für Fotos, danach die Snowmobile noch betanken und zurückbringen…

…bevor Johannes sein beliebtes „Eisarsch-Bistro“ öffnet und die Bande mit Süppchen und Tee versorgt.

Die Rückfahrt verläuft dann ziemlich piano, wir sind alle etwas platt von der Buckelpistenfahrerei. Ich bin beruhigt, dass auch die jungen Kerls etwas angestrengt sind, dann muss ich mich nicht so alt fühlen, haha…unsere etwas defensivere Fahrweise ist gar nicht mal so schlecht, stellen wir an einigen völlig vereisten Streckenabschnitten fest, zu den gewollten kommen noch einige ungewollte Drifts; zeitweise kommen noch Schneeschauer dazu und es ist mittlerweile dunkel, als wir an der Unterkunft ankommen.

An unserer Hütte steht Norbert dann grinsend herum, ja, die BMW hat sich nach dem Einsatz von Heißluftgeräten und eines Gaskochers unter dem Motor dann doch noch bequemt, zu laufen, prima!

Dann steht unserer morgigen Runde Im-Schnee-Spielen ja nichts mehr im Wege.

Immerhin ist es noch früh genug, ein Zielbier zu trinken, bevor wir ins Haupthaus zum Essen laufen.

Matina hat derweil eine „Grablichtheizung“ unter den Motor ihres Guzzi-Gespanns gestellt, damit der Motor nicht so sehr auskühlt…nee, echt jetzt, dein Ernst???

„Ja Gerd, du hast bestimmt recht, dass das Quatsch ist und nix wirklich bringt, aber es sieht doch zumindest hübsch aus!“

Ja doch, in der Tat, das sieht es wirklich!

Als ich mir den stirnrunzelnden Norbert so ansehe, bin ich sicher, er denkt schon auch, zumindest kurz, darüber nach… 🙂

06. Februar

Heute ist nur geschmeidiges Schneespielen für Matze, Norbert und mich angesagt, d.h. wir können in aller Ruhe ausschlafen, frühstücken und dann losfahren, wenn wir denn fertig sind, denn niemand muss auf uns warten…

Chris geht’s gar nicht mal so gut, hat plötzlich Magenprobleme und wird den Tag auf der Couch verbringen, ist ihm deswegen auch egal, ob sein Transengespann heute anspringt oder nicht

Die Jialing springt klaglos an und läuft sich warm, um die eingefrorenen Lenkungszüge aufzutauen; Norbert weiß ja nun, was seine BMW an vorwärmender Zuwendung braucht, um ihren Betrieb aufzunehmen und so kommen wir dann doch recht zeitig los. Norbert vorneweg, Matze hintendran und ich mit einigem Abstand, quasi der Nase nach, der Emme hinterher.

Wir fahren über kleine, verträumte, z.T. nicht geräumte Waldwege und Norbert hat offensichtlich enorm Spaß mit seinen neuen und beladenen Alukisten hintendran, die ihm einen bisher nicht gekannten Grip am Hinterrad bescheren.

An einer verschneiten Steigung ist dann aber irgendwann Schluss für Matze: „Gebt mir fünf Minuten Pause, um Schneeketten anzulegen, ok?“

Ich schlingere die restliche Steigung hoch und verfrachte oben meine sackschwere Material- und Ersatzteilkiste aus dem Beiwagen mit Spanngurten auf den Sozius, um etwas mehr Gewicht aufs Hinterrad zu bekommen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ich sonst die nächsthöhere glatte Steigung nicht mehr hochkomme, ist hoch und mir aus dem letzten Jahr noch in unguter Erinnerung.

So vergnügen wir uns den ganzen Tag auf schönen Sträßchen und genießen die Landschaft.

Irgendwann verfranzen wir uns dann, landen in einer Sackgasse, und nach kurzer Überlegung machen wir uns auf den Rückweg, um nicht im Stockfinsteren über verlassene Straßen irren zu müssen.

Ich schalte mein Navi ein, -schnellster Weg zur Unterkunft- und übernehme die Führung. Links soll ich in einen schmalen Waldweg hineinfahren, meint Herr TomTom, mach ich natürlich auch brav, stelle aber nach 50 m fest, nicht wirklich die allerbeste Idee:

Nicht geräumt, nicht geschoben, über unberührten, verharschten Schnee, eigentlich traumhaft, allerdings geht’s tüchtig bergauf. Die Jialing bricht durch den Harsch, sinkt locker 25 cm in den Schnee ein, -ach du Kacke-, aber treckert sich mit ihren 18-Zöllern unerwartet tapfer den Berg hoch. Im Stillen beglückwünsche ich mich zu der Idee mit der Materialkiste auf dem Sozius…der Weg ist echt zu schmal zum Wenden, den Lenker mit sanfter Gashand fest im Griff, den Blick nach vorn und bloß nicht anhalten! Hoffen, dass Matze die Schneeketten im tiefen Schnee helfen, dran zu bleiben, obwohl er die kleinen und schmalen 16 Zoll Räder hat…um Norbert mach ich mir keinen Kopf, der fährt mit der dicken BMW und tüchtig Gewicht auf dem Hinterrad wahrscheinlich, alles plattwalzend und breit grinsend einfach so hier rauf!

Oben dann kurz durchatmen und ein Blick nach hinten, Matze ist hinter mir, Norbert auch…wie erwartet, hatte Matze kleinere Probleme mit der Spurführung und Norbert natürlich gar keine…vor uns liegt die Verbindungsstraße nach Femundsundet, auf der gerade eine Gruppe Eisärsche vorbeirauscht. Wir versuchen, ihnen zu folgen, aber deren Tempo ist einfach zu hoch für uns.

Wir legen noch eine Pause ein, Matze nimmt die Schneeketten ab, auf der geräumten Verbindungsstraße sind sie nicht nötig.

Das Scheinwerferglas der MZ war offensichtlich mit den hohen Temperaturunterschieden des H4-Brenners innen und den deftigen Minusgraden außen etwas überfordert und zeigt Spannungsrisse.

Natürlich ist es dann doch dunkel, als wir an unserer Hütte ankommen, das geht aber auch echt schnell in Norwegen mit dem Dunkelwerden!

Chris hat den ganzen Tag auf der Couch verbracht, war überhaupt nicht aus dem Haus, aber großartig besser geht’s ihm auch nicht, was für ein Mist! Er vermutet, dass er vor unserer Reise stressbedingt etwas angeschlagen war und nun, da er zur Ruhe kommt, zeige ihm sein Körper deutlich, dass eine Pause angesagt sei. Und nein, auch zum Essen will er nicht…hmpf…

Der Rest ist unsere übliche Abendroutine: Umziehen, rüber ins Haupthaus, Abendessen, bisken quatschen, ein paar Bier und dann zurück in unsere Hütte. Morgen ist die lange Tour, ca. 350 km, zur Stabkirche in Ringebu geplant, es wird früh losgehen.

07. Februar

Chris ist immer noch nicht fit und wird einen weiteren Tag auf der Couch verbringen, statt wie geplant, mit uns zur Stabkirche zu fahren…der arme Kerl…

Als wir zum Frühstücken am Haupthaus ankommen, ist auf dem Vorplatz schon tüchtig Betrieb: Überall liegen Verlängerungskabel herum und fauchen Benzin- und Gaskocher, um die startunwilligen Zugmaschinen, auch und besonders die des deutschen Premiumherstellers :-), zur Arbeitsaufnahme zu bewegen.

Das Wetter sieht großartig aus, das wird eine tolle Tour!

Nach dem Frühstück gehen wir zurück zur Hütte, starten unsere Maschinen, ziehen uns, während diese warmlaufen, an und kommen zurück zum Haupthaus, wo man sich schon zum Start aufstellt.

Rainer bemerkt plötzlich einen Reifenschaden am Hinterrad seiner Emme und meint, das schaffe er nicht mehr rechtzeitig zu beheben und sagt die Tour ab. Norbert beschließt, ebenfalls dazubleiben und ihm zu helfen.

So reihen Matze und ich uns ein und wir starten Richtung Ringebu.

Trotz der großen Gruppe läuft es recht flüssig, und wir machen einen kleinen Stopp an dem Riesenelch aus Edelstahl, der auf dem Weg liegt.

Weiter geht es über eine große und breite Landstraße, nicht schön zu fahren durch relativ viel Auto- und LKW-Verkehr, aber wir kommen dadurch gut voran.

Wir sind gut in der Zeit, verlassen irgendwann die Landstraße und biegen in eine Bergstraße ein, die deutlich eher nach unserem Geschmack ist, sich nach und nach in die Höhe schraubt und erreichen schließlich ein Hochplateau, wo es merklich kälter ist, aber der blaue Himmel und das unbeschreibliche Panorama lassen das schnell vergessen.

Kurze Zeit später sind wir auch schon in Ringebu, wo wir im Stadtverkehrsgewühl Werner und Anne mit ihrem froschgrünen HMO-Gespann verlieren. Während die ganze Bande an einem Platz wartet, fährt Johannes los, um sie zu suchen, und kommt nach kurzer Zeit mit ihnen zurück. Werner hatte in einem Vorgarten abseits der Straße, natürlich als Einziger, zwei Elche entdeckt, gewendet und Fotos gemacht.

Werner, der weiß, wo es nun langgeht, gibt noch den Tipp: „Wir sind fast da, gleich links von der Hauptstraße ab, eine ziemlich steile Auffahrt hoch, da heißt es, am Gas bleiben!“ und los geht’s. Ich hänge mich direkt dahinter und ja, steile und verschneite Auffahrt, richtig! Wieder bin ich froh über die Materialkiste auf dem Sozius und wir landen auf dem Vorplatz der Stabkirche, wo, -natürlich-, schon Max „Rechts ist Gaaas!“ und Cläuschen stehen.

Nach und nach treffen auch die Nachzügler ein, bis dann alle, die die Kirche besichtigen wollen, da sind.
Diese Stabkirche von 1220 ist eine der ältesten, noch existierenden Stabkirchen in Norwegen und eigentlich nur während der Sommersaison für Besucher geöffnet.

Georg muss daher im Vorfeld sowohl seinen ganzen Minimal-Charme, als auch seine bekannte Hartnäckigkeit eingesetzt haben, dass eine Führung und Besichtigung für uns und zu dieser Jahreszeit möglich gemacht wurde. Danke, Georg! 🙂

Von den ehemals etwa 1000 Stabkirchen in Norwegen existieren noch gerade einmal 28, was sicher auch damit zu tun hat, dass die ganz aus Holz (ohne irgendwelche Nägel oder Schrauben, eben nach der „Reinen Lehre“ der hölzernen Handwerkskunst!) gebauten Kirchen durch ihren Anstrich aus Teer zwar wind- und wetterfest, aber, einmal in Brand geraten, dann nicht mehr zu löschen waren.

Es erscheint ein freundlicher Mensch mittleren Alters, der Pfarrer oder Küster, begrüßt uns und erlöst zuerst einmal die mitgefahrenen Frauen, indem er die (beheizte!) Toilette aufschließt, um dann nach einem Rundgang um die Kirche diese zu öffnen. Hier ist es zwar nicht geheizt, aber nicht ganz so kalt wie draußen.
In der Kirche ist Fotografieren ausdrücklich erlaubt, also werden so einige Fotos gemacht.

Der freundliche Touristenführer weist nach einigen allgemeinen Informationen über die Kirche noch auf einige Besonderheiten hin, die nicht direkt ins Auge springen:

Beim Bau der Kirche hat einer der Zimmerleute wohl noch einen, von unten kaum sichtbaren, Drachenkopf in die Dachkonstruktion hinein gemogelt, hier nur sichtbar durch eine nachträglich aufgehellte Ausschnittvergrößerung.

Das Taufbecken soll, wie er sagt, noch aus der abgebrannten Vorgänger-Kirche, die an gleicher Stelle stand, stammen. Deren gefundene „Fundamente“, die natürlich auch aus Holz waren, sind etwa auf das Jahr 900 datiert worden.

Irgendwann ist’s uns auch genug mit Kultur und Geschichte, es ist schon spät, und der Rückweg so weit, dass wir wahrscheinlich im Finsteren ankommen werden. Deswegen halten Matze, Rudi und ich uns bei der Kaffeepause auf dem Hochplateau nicht allzu lange auf, sondern machen uns auf die Reifen.

Matze will unterwegs unbedingt noch ein paar „epische“ Fotos auf dem Hochplateau machen, macht er auch:

Rudi übernimmt die Führung und wir nehmen Matze in die Mitte, die Sonne geht nun unter und es wird kalt. Als wir von dem Hochplateau herunter sind, wird es leider auch nicht wärmer, sondern es bleibt kalt.

Irgendwann haben wir das Gefühl, mit jedem Kilometer sinkt die Temperatur und sind froh, als Matze tanken muss und wir ein wenig herumlaufen und uns aufwärmen können. Ab Akreströmmen, ca. 30 km vor unserer Hütte, fange ich an, die Kilometer zu zählen…Scheiße, ist das kalt! („Boah, reiß dich zusammen, Mann! Matze hat nicht mal ne Windschutzscheibe, dem geht’s bestimmt schlechter als dir!“ raunt mein Über-Ich…Jaja..)

Nun geht’s auch noch tüchtig, 12%, bergauf, es ist stockfinster und wird immer kälter, je höher wir kommen…wieder mal bin ich froh um meine LED-befeuerte Flutlichtbeleuchtung an der Jialing, die Matzes halb zugefrorenen Scheinwerfer etwas kompensiert; meine Lenkung wird schwergängig, friert offensichtlich ein, sodass ich hinterher eine Druckstelle am Daumen vom Lenken habe, aber irgendwann sind wir dann doch endlich angekommen, lassen alles auf den Moppeds stehen und liegen und stürzen in die warme Hütte.

Es ist halb sieben und Küchendienst hab ich ja auch noch, Mist! Umziehen, ein Blick auf das Thermometer am Küchenfenster unserer Hütte, es zeigt -24°C, – ach du Scheiße, und auch noch klarer Himmel, da geht auch noch was mehr-, und rüber ins Haupthaus.

Dort haben Claudia und einige andere auf einen Anruf von Martin hin das vorbereitete Essen schon mal erwärmt, sodass es gleich losgehen kann.

Nach dem Essen ist, wie gewohnt, die Welt wieder in Ordnung und der Abend geht seinen gewohnten Gang mit Berichten vom Tage: Was habt ihr gemacht, wie war’s, ist alles gut gegangen etc.

Chris hat wohl heute eine erste Tour mit Christiane, Norbert und Rainer, nach deren erfolgreicher Reifenreparatur, zum Elch aus edlem Stahl gemacht, sehr schön, es geht ihm also wieder besser…

08. Februar

Nach dem Ausschlafen in die Küche, Kaffee ist natürlich schon da, – danke, Jens! -, der Blick aufs Thermometer am Fenster:

Holla, das ist amtlich; das bedeutet wohl real -38°C und es wird spannend werden, was die Motorräder dazu meinen…

Spaßeshalber nehme ich mal meinen Zündschlüssel und guck mal nach, was mein Billig-Voltmeter (natürlich mit dem Multimeter überprüft) zum Batteriezustand anzeigt:

Ha, 12,4V sieht ja schomma hoffnungsvoll aus…das Thermometer kann nach unten hin nicht mehr anzeigen als -9,5°C, das ist mir in den vergangenen Tagen schon mal aufgefallen.

Ist halt „original chinesisches Zubehör“ für 3,95€ inkl. Versand, und wer kann denn beim Hersteller schon ahnen, dass es Leute gibt, die bei noch niedrigeren Temperaturen mit dem Motorrad fahren?

Wir dackeln zum Frühstücken; auf dem Vorplatz sieht es nicht so aus, als hätte es irgendjemand eilig, zu fahren: Keine Kabel über den Platz gezogen, keine Benzinkocher unter den Moppeds, alles ganz entspannt… Auch nach dem Frühstück nirgendwo brennende Aufbruchstimmung, alle haben Zeit und gucken erstmal nach Dingen, die an den Moppeds gemacht werden müssen.

Matze hat am Vorabend blöderdings seinen Benzinhahn zugemacht, mit dem Erfolg, dass nach dem Öffnen die Gummidichtscheibe nicht mehr das tut, was sie eigentlich soll und die Emme den Sprit unter sich lässt…Um das zu reparieren, muss das Benzin abgelassen werden, und seitdem liegt in unserer Hütte immer ein leichter Benzinduft in der Luft.

Holgi berichtet, ihm sei gestern sein Gaszug an der Guzzi eingefroren…oha, das ist ja noch schlimmer als eine eingefrorene Lenkung, eine wirklich blöde Vorstellung, das… Nun möchte er sich einen Ersatzzug fertigmachen, wozu ich ihm einen Lötnippel empfehle, weil ich von diesen Schraubnippeln so gar nichts halte, zumal er ja auch noch über Land zurückreisen will. Nach einigem Hin und Her ist ihm dann auch klar, dass ich nicht nur Lötnippel, sondern auch einen entsprechend großen Lötkolben und sogar Lötzinn dabeihabe, und er macht sich ans Werk, aufmerksam von der Elektrofachkraft Aynchel beobachtet und, wie immer bei solchen Gelegenheiten, von den Umstehenden mit guten Tipps bedacht.

Draußen herrscht derweil emsige Betriebsamkeit, überall wird mit den erprobten Mitteln versucht, die unterkühlten Motorräder ans Laufen zu bringen, oder ihnen zumindest mal ein Lebenszeichen zu entlocken, mit unterschiedlichem Erfolg.

Wie zur Demütigung seiner Mitfahrer demonstriert Aynchel eindrucksvoll, dass „Das überlegene Konzept für Winterfahrerei: MZ!“ sowas natürlich nicht nötig hat…sein Bedauern steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben! 

Ich lerne Dinge, über die ich mir bisher kaum Gedanken gemacht habe: Eine BMW hat drei Schmierkreisläufe, klar, das wusste ich…Motor, Getriebe und Kardanantrieb. Dass es aber quasi nur halb schlau ist, nur das Motoröl gegen ein Wintertaugliches zu wechseln, damit der Motor besser anspringt, während das Getriebeöl bei diesen Temperaturen die Konsistenz von Nutella im Kühlschrank hat, darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht. Das Motorrad kriecht dadurch im Leerlauf, ohne eingelegten Gang, nach vorn, sofern man es nicht durch Ziehen der Kupplung davon abhält.

Bei solch extrem niedrigen Temperaturen können dann ganz banale Aktionen, wie das Ziehen und Halten der Kupplung ohne Handschuhe, echt gefährlich werden: Cläuschen handelt sich dabei üble Erfrierungen 2. Grades an der linken Hand ein, ohne es zu merken… „Keine Ahnung, wie das passiert ist, ich hab mir einfach nichts dabei gedacht und -zack!- war’s schon zu spät!“

Erst ist es nur ganz kurz kalt, danach ist die Haut schon betäubt (vgl. Eisspray bei Fußballern) und man merkt danach entsprechend gar nicht, was weiter passiert…

Während dessen unterhält der Igel-Jens das dankbare Publikum mit einem Experiment aus der Reihe „altgewordene Jugend forscht“: Kochendes Wasser in einen Edelstahl-Messbecher füllen und mit Schwung in die eiskalte Luft schleudern, was das kochende Wasser augenblicklich in eine Schneewolke verwandelt, sehr cool!

Bei dem ganzen Entertainment hier vergesse ich die Zeit und mache mich erst spät rüber zur Hütte, wo Norbert, Rainer und Christiane schon startklar, quasi mit laufenden Motoren, ungeduldig auf mich warten.

Mist, Asche auf mein Haupt, tut mir leid, jaja, ich weiß, ist ja nicht das erste Mal, dass ihr auf mich warten müsst, ich beeil mich, echt jetzt, sorry…

Norbert möchte heute unbedingt gern noch nach Schweden fahren, um sich den schwedischen Flaggenaufkleber, den er bereits hat, auch mit Recht auf sein Gespann kleben zu können. Mein Vorschlag, wir könnten ja schon für ihn lügen, es sei ja für einen guten Zweck, wird rundheraus abgelehnt. Hektisch ziehe ich mich an, fange noch einen strafenden Blick von Rainer auf und höre am besten gar nicht hin, was er sagt…und dann kann es auch schon los gehen…hmpf…

Unterwegs winkt Christiane nach wenigen Kilometern ab, sie führe wieder zurück, ihr sei zu kalt. Ich sehe ihr komplett zugefrorenes Visier und ihre bereits halb zugefrorene Brille, offensichtlich ist ihre Visierheizung defekt, schon klar, so hätte ich auch keine Lust zu fahren!

Im Nationalpark treffen wir auf die Aachen/Düren-Fraktion, die auch wieder ihr „Eisarsch-Bistro“ geöffnet haben, trinken einen Becher mit, einen kleinen Snack, quatschen ein wenig dummes Zeug, schauen Martin kurz bei einer Straßenrandwartung zu und machen uns dann auf den Weg zur schwedischen Grenze.

Kurz darauf erreichen und überqueren wir diese, Norbert erwirbt damit das Recht, seinen Aufkleber zu kleben und wir beraten kurz, noch irgendeinen Krimskrams-Laden aufzusuchen, der in der Nähe sein soll. Da aber die Sonne bereits tief steht und die Temperatur merklich fällt, entscheiden wir, uns auf den Heimweg zu machen. Der wird dann doch ziemlich anstrengend, weil wir beinahe die ganze Zeit gegen die tiefstehende Sonne und die entsprechend spiegelnde Straße fahren, hmpf, schneller als so möchte ich auf keinen Fall fahren, sind schon immer mal wieder ein paar Meter reiner Blindflug dabei!

Etwa 10 km vor der Unterkunft hat Rainer auf einmal wieder ein plattes Hinterrad, toll, ein Radwechsel in der Kreuzung am (Land-) Straßenrand, weil keine andere Möglichkeit in Sicht ist, das Gespann abzustellen!

Na super, sowas quasi auf der Zielgeraden! Beim Absichern der Pannenstelle fällt mir auf, dass das Spiralkabel der Pannenleuchte schon derart steif ist, dass ich Sorge habe, es bricht gleich. Mein Verdacht auf ziemliche Kälte wird durch einen Spaziergänger, der von aktuell -20°C spricht, erhärtet.

Mit vereinten Kräften wuchten wir die Emme auf den Hauptständer und dank Rainers Routine und der geteilten Hinterradachse der MZ ist das platte Hinterrad schnell gegen das Autobahnrad mit Autoreifen, aber eben ohne Spikes, getauscht.

Morgen Vormittag geht’s eh zu elft nach Elverum, schon mal die halbe Strecke nach Oslo machen, was die Anfahrt zur Fähre am Samstag deutlich entspannter macht; muss dann eben so, ohne Spikes, gehen, meint Rainer. „Das Rad repariere ich zu Hause, auf keinen Fall hier!“

Alles einpacken und heiter weiter, den restlichen Weg legen wir zügig zurück; die Sonne, die uns eben noch wie verrückt geblendet hat, ist nun weg, dafür ist’s echt richtig kalt geworden, irgendwas ist halt immer…

Zurück in unserer Hütte, fangen wir schon mal an zu packen, damit wir morgen, wie Matze treffend, schon fast rheinländisch, sagt, „…mit elve um elverum nach Elverum…“ starten können. Wir werden die beiden Anfängerinnen Claudia und Gitti dabeihaben, es wird also nicht nur nichts mit der ursprünglich geplanten schönen Tour über die anspruchsvollere Strecke, sondern wohl auch nicht besonders flott auf der leichteren Strecke vorangehen.

Außerdem ist natürlich auch fraglich, ob deren Gespanne am kommenden Morgen problemlos anspringen werden, wo es jetzt bereits so kalt ist. Die Güllepumpen haben nämlich diesbezüglich nicht gerade den besten Ruf…

Schaumerma…erstmal rüber, ein Häppchen essen, ein paar Bier, bisken quatschen und dann zurück zur Hütte, und weiter packen mit Bierchen dabei…

09. Februar

Der Morgen, wie mittlerweile gewohnt, beginnt mit dem Blick aufs Thermometer am Küchenfenster beim ersten Kaffee:  Schon wieder -34°C! Na, das wird ja spannend, aber die Temperatur wird bis halb elf ja noch steigen, also geht’s erstmal zum letzten Frühstücken im Haupthaus. Etwas Wehmut macht sich bei mir schon breit, Norbert geht’s ebenso: „Echt jetzt, wochen- und monatelang Vorbereitung und Vorfreude, und dann ist die eine Woche wie weggeatmet…aber schön war’s! Das wird schon ne Weile halten!“

Nach dem Frühstück draußen das gewohnte Bild: Batterien werden geschleppt, Verlängerungskabel überall, dauernd rennt einer ins Haus und drückt eine Sicherung wieder rein…manche Rituale sind wirklich unverzichtbar!

Wir machen uns auf zur Hütte, packen unsere restlichen Sachen, ziehen uns an, rödeln das Gepäck auf und fahren zurück zum Haupthaus. Dort hat man mittlerweile schon die Gespanne der Mädels ans Laufen gebracht, aufgepackt ist alles, eigentlich startklar, aber Gittis frisch repariertes Kabel für ihr Heizvisier ist nun zu kurz; ich krame noch ein Reservekabel aus meinem Tankrucksack, aber Christa kommt auch schon mit einem Verlängerungskabel dafür.

Irgendwann, es ist schon kurz nach elf, starten wir dann mit der ganzen Bande Richtung Elverum.

Bereits nur auf dem kleinen Stück nach Engerdal kommt es schon zu mehreren haarigen Situationen, bedingt durch die unterschiedlichen Fahrkünste und Tempi und die z.T. mangelnde Routine der Tour-Teilnehmer, was Fahren in der Gruppe, Abstandhalten und das „Für-Andere-Mitdenken“ angeht.

In Engerdal halten wir an der Tankstelle, wo der ein oder andere noch tanken muss. Dort beschließen wir nach kurzer Beratung, die Gruppe hälftig aufzuteilen: Rainer und Norbert übernehmen die schnellere Gruppe mit Christiane, Gerhard und Susanne. Rudi, Matze und ich nehmen Claudia und Gitti in unsere Mitte. Chris will alleine bis nach Oslo durchfahren, wo er sich ein Zimmer reserviert hat und startet schon mal.

Nun stellt sich auch heraus, dass wir unterwegs noch in einem Schneemobilladen in Trysil halten und für Claudia einen Helm mit Heizvisier aussuchen werden. Na, das ist ja ein toller Plan! Ich überschlage kurz: Wir haben jetzt zwölf Uhr, es sind noch gut 120 km bis Elverum, nach dem gefahrenen Schnitt auf der bisher zurück gelegten Strecke schätze ich somit knapp drei Stunden reine Fahrzeit, plus eine Stunde in dem Laden, und einmal Tanken wird nötig sein…wir werden auf keinen Fall vor 16:00 Uhr in Elverum sein, wenn alles gut geht…

Die schnelle Gruppe ist startklar und fährt schon mal los, wir kurze Zeit danach ebenfalls. Rudi führt in bewährter Weise die Gruppe an, Claudia dahinter, dann Matze vor Gitti und ich mache das Schlusslicht. In gemäßigtem Tempo fahren wir auf die Landstraße nach Trysil, es ist glücklicherweise wenig Verkehr, denn Gitti treibt kurz meinen Blutdruck hoch, als sie kurz nacheinander zwei Ausflüge auf die leere Gegenfahrbahn macht. Wir machen eine kurze Pause und erklären ihr, was da und warum das gerade passiert ist und was sie in einem solchen Fall tun sollte, um den Fahrfehler auszugleichen und wieder auf ihre Spur zurück zu kehren.

Von da an läuft alles störungsfrei und wir erreichen Trysil und den Schneemobilladen.

Dort bekommen wir freundlicherweise einen heißen Kaffee, sehr gut, es ist ziemlich kalt und wir etwas verfroren. Claudia verhandelt mit einem Verkäufer wegen eines Helmes, wir gucken uns in dem Laden um, quatschen und wärmen uns ein wenig auf. Einige Zeit später ist dann klar, dass es in diesem Laden kein einziges heizbares Visier mehr gibt, alles ausverkauft! Der freundliche Verkäufer telefoniert jedoch herum und findet einen Laden in der Nähe, der tatsächlich noch Helme mit heizbarem Visier hat. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit beschließen wir, dass Rudi mit Claudia zu dem Laden fährt, während Matze und ich Gitti in die Mitte nehmen und uns auf den Weg nach Elverum machen.

Bei der letzten Tankpause, 12 km vor Elverum, treffen wir auf zwei Finnen auf dem Rückweg von der Savalenrallye mit schweren Reisenduro-Solomaschinen, die mit Unmengen von absurd langen Spikes bestückt sind. Von wegen maximal 100 Spikes pro Meter Radumfang, wie es in der Vorschrift steht! Scheint doch eher eine Option zu sein…

Norbert hat uns zwischenzeitlich von der Hütte aus seinen Standort geschickt, damit wir die letzten Kilometer nicht umherirren oder falsch fahren. Uns ist schon klar, dass wir die Letzten sind, die noch unterwegs sind. Gittis Tankschloss ist zugefroren, der Tankdeckel geht nicht auf. Matze schüttet kurzerhand einen Becher heißen Tee auf den Tankdeckel – Problem gelöst! Als wir dann losfahren wollen, zickt auf einmal Matzes Emme rum und verweigert standhaft den Dienst. Nach kurzer Zeit aber weiß Matze, wo das Problem liegt: Das nach dem Tanken eingefüllte Zweitakt-Öl ist einfach nach unten durchgesunken und hat sich als Klumpen innen auf den Benzinhahn gelegt, die Kiste kriegt dadurch einfach keinen Sprit…nach etwa 15 Minuten ist dann auch dieses Problem gelöst, wir machen uns auf zur letzten Etappe und kommen erschöpft in der Dämmerung, etwa 16:30 Uhr an der Hütte an.

Ausladen, Wagenheber und Werkzeug raus, um im letzten Tageslicht so viele Spikes wie möglich noch rausdrehen zu können; am Ende ist es jedoch genauso, wie ich’s eigentlich vermeiden wollte:

Ich hocke im A4 mit der Stirnlampe im Schnee und drehe die restlichen Spikes raus; manchmal isses so, wie’s ist und ist auch nicht zu ändern…

Völlig durchgeschwitzt und frierend komme ich in die Hütte, lehne die mir angebotene heiße Suppe erstmal ab, ich muss zuallererst aus den Klamotten raus und unter die Dusche!

Danach hebt die heiße Suppe wie gewohnt meine Stimmung wieder und ein Bier hab ich mir jetzt auch verdient, jawohl!

Die ersten Witze über die Ereignisse dieses Tages machen die Runde: Matze hatte schon befürchtet, bei dem gefahrenen Tempo einen „negativen Spritverbrauch“ zu haben und jeden Moment erwartet, dass sein Tank auf einmal überläuft und ihm die Kniedecke einsaut.

„Aber im Ernst jetzt: Nach den heutigen Erfahrungen müssen wir morgen echt spätestens um halb acht losfahren, wenn wir pünktlich an der Fähre sein wollen.“ Ich bin der Ansicht, eine Startzeit um acht Uhr müsse nun wirklich reichen, um die 140 km, überwiegend über die Autobahn und ohne „Shopping-Pause“, in vier Stunden zu schaffen und stelle meinen Wecker auf 06:30 Uhr.

Wir werfen alle unsere mitgebrachten Essensvorräte, Chili, Graupensuppe und Kesselgulasch zusammen, packen ein paar Dosen Bier dazu und tafeln so fürstlich zu zehnt in der mittleren Hütte. Ein lustiger Abend, an dem wir in entspannter Atmosphäre den Tag Revue passieren lassen, viel Spaß haben, weil auch jeder über sich selbst herzlich lachen kann.

Sowohl Claudia als auch Gitti kommen im Lauf des Abends auch noch damit heraus, dass ihre Moppeds wohl auf keinen Fall aus eigener Kraft anspringen werden, ein Umstand, der uns so nicht bekannt war, weil sie ja im Haupthaus und wir in der Hütte untergebracht waren, wir also deren morgendliche Startprozedur nicht mitbekommen haben…naja, ist halt mal wieder so, wie’s ist!

Ich hole den Starthilfe-Booster aus meinem Kofferraum und schließe ihn vorsichtshalber ans Ladegerät an.

Rainer, Norbert, Matze und ich lassen den Abend noch in unserer Hütte bei ein paar Bier ausklingen und gehen relativ früh ins Bett, weil wir morgens früh loswollen.

10. Februar

Ich werde wach, weil jemand in der Küche rum klabastert; die Uhr auf meinem Handy zeigt 05:23 Uhr…oh nein, Matze, bist du denn verrückt? „Ja, sorry, ich hab echt keine Ruhe, dass wir rechtzeitig die Mühlen der Mädels ans Laufen kriegen und vom Hof kommen…“ Naja, dann kann ich ja auch schon mal Kaffee kochen. Auch Norbert und Rainer kommen nun aus dem Bett, Rainer hinterlässt Blutflecken auf dem Küchenboden, hat sich unbemerkt seinen Oberschenkel an einem Brett aufgerissen, als er dynamisch aus dem Bett gesprungen ist. Nach kurzer Untersuchung ist klar, es ist keine Risswunde, die genäht oder geklebt werden müsste, sondern es sind nur Schürfwunden.

Matze, der gute Geist, ist unterdessen schon draußen, die unwilligen Güllepumpen-Gespanne streicheln, auch Rudi sehe ich schon Batterien schleppen. Ich kontrolliere den Starthilfe-Booster, gut, ist voll aufgeladen, wenn’s denn nötig sein sollte.

Nach einiger Zeit hört man erste Lebenszeichen des ersten, kurz darauf auch des zweiten Gespanns, na prima. Dann kann ich ja die Jialing auch warmlaufen lassen, während ich das Gepäck ein- und auflade.

Zündschlüssel rein, Zündung an, auf das „Plock!“ der Benzinpumpe warten, Startknopf gedrückt, und…alle Lichter aus!

Hä??? Hallo? Jialing, was soll das denn? Ist dir nicht kalt genug, und deswegen fliegt die Hauptsicherung?

Das kann doch nicht wahr sein, die ganze Woche, auch bei deutlich unter -30°C immer ohne fremde Hilfe wie Heizgeräte oder Starthilfe angesprungen, quasi alle Zugmaschinen des deutschen Premiumherstellers gedemütigt und jetzt, am letzten Tag, sowas?

Fluchend schließe ich die Kofferbefestigung auf, um die Sitzbank abnehmen zu können, da ist doch glatt die Klammermechanik des Koffers eingefroren, na toll! Da hab ich vorher schön alle Schließzylinder abgeschmiert, mir ist die ganze Zeit nie ein Schloss eingefroren, aber die Mechanik friert mir fest!

Wenn’s einmal läuft, dann läuft’s auch richtig! „Hach, verdammt!“

Matze kommt herbei: „Was ist los?“ – „Hauptsicherung, glaube ich, kein Bild, kein Ton! Scheißdreck, verdammter, und die Schlossmechanik ist eingefroren, ich krieg den Koffer nicht ab und deswegen die Sitzbank auch nicht! Wat ne Kacke!“ – „Willst du nen Tee?“ – „Boah, wat soll ich denn jetzt mit Tee?“ Matze grinst: „Na, auftauen, hm?“

Ach, der Gute, na klar! Ne Tasse Tee an der richtigen Stelle löst so manches Problem, nicht nur am Tankdeckel.

Den Koffer ab, Sitzbank ab, die Hauptsicherung raus, sieht aber gut aus…hm, das Multimeter rausgeholt, gemessen, Sicherung ist heil, kommt also wieder rein. Eine der anderen Sicherungen vielleicht? Eine nach der anderen heraus gepult, nachgemessen, alle ok…die Batterie vielleicht? Kofferraum ausräumen, die Batterie ist ganz unten, „Ha!“ kommt es von vorne, Rudi hat das Cockpit im Blick: „Hier ging gerade kurz das Licht an!“ Ich rüttle an der Polklemme und der Strom ist wieder da! Ich öffne die Polklemme und drücke den Kniehebelverschluss fest. Starten, läuft! Rudi meint: „Da hättest du besser als Erstes nachgucken sollen, hm?“ Jaja…

Hat mich jetzt fast ne Stunde gekostet, die Aktion, ich hab noch nicht gepackt, muss mich noch anziehen und das Gepäck aufrödeln…Matze meint: „Rudi und ich machen uns jetzt mit den Mädels schon mal auf den Weg, dann fahr du mit den anderen, ok?“ Ja, gut, so machen wir’s!

Rainer und Norbert machen die Hütte klar Schiff, während ich meine Klamotten zusammenpacke. Dann, als alles fertig ist, starten wir Richtung Autobahn, fahren über eine Brücke, ein Schlagloch und wieder Stromausfall an der Jialing! Ich stehe auf der Brücke echt mitten im Weg, jetzt jedoch weiß ich, was zu tun ist, räume den Kram von der Batterie, öffne beide Klemmen und beseitige das Problem durch ruckartiges Handauflegen.

Weiter geht’s, aber die Jialing schlingert, als hätte ich zu wenig Luft im Hinterrad, ich biege rechts ab auf eine Tankstelle…nee, sieht aber ganz normal aus, komisch…Rainer meint, ich hätte vielleicht ein Fahrwerksteil verloren, er hätte gesehen, da wäre ein Rohr oder ein sonstiges Metallteil weggeflogen, aber er wüsste, wo es liegt und fährt zurück. Ich untersuche derweil das Fahrgestell; Stabilisator, Federbeinaufnahme, Beiwagenanschlüsse, nee, alles da und alles sieht normal aus.

Ein freundlicher Norweger kommt hinzu und erzählt, einer unserer Mitfahrer sei wohl auf der Brücke liegen geblieben, vielleicht bräuchte der Hilfe und wir sollten mal nach ihm sehen…sehr nett! Wie eigentlich alle, die wir unterwegs getroffen haben: Freundlich, interessiert und anteilnehmend. Wir bedanken uns, klären den Umstand auf, und da kommt Rainer auch schon um die Ecke gebogen, bringt ein Metallteil unbekannter Herkunft mit, was er nach kurzer Begutachtung in den Beiwagen wirft und wir machen uns auf zur Autobahn.

Da wird dann auch klar, was die Ursache des Schlingerns ist: Nicht als solches erkennbares Glatteis auf der Straße und wir sind ohne Spikes unterwegs, ah ja…vorsichtig fahren, mit sanfter Gashand, ist angesagt.

Wir kacheln ohne Pause bis Oslo durch, immer wieder rutscht mein Hinterrad durch, und ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht an dem mörderischen Drehmoment der Jialing liegt. Mir ist schweinekalt, ne Pause hätte ich gern genommen, will aber, als einziger Raucher, keinen aufhalten. Durchhalten, und noch 25 km bis Buffalo…Wir kommen als Erste im Fährhafen an, und mir ist echt kalt.

Die Stewards weisen uns, nur mit unserem Personalausweis, nix mit Buchungsbestätigung oder so, direkt unsere Bahn zu, -Dank an Georg für die Orga!-, und wir stellen die Gespanne ab.

Als Rainer dann meint, er habe die ganze Woche nicht so gefroren, wie auf dieser Fahrt, ist mir klar, es liegt nicht an mir, nicht am Schlafmangel, es ist einfach wirklich saukalt. Das erklärt auch das Glatteis auf der Autobahn, bei uns nützt das Streusalz nur bis etwa -10°C, das norwegische Streusalz verliert allerdings bei unter -20°C auch seine Wirkung.  

Ich fische meine Thermoskanne mit Kaffee aus dem Topcase, Norbert packt Brötchen aus, genau, gute Idee, das Frühstücken hab ich in der morgendlichen Hektik glatt vergessen…

Claudia, Gitti, Rudi und Matze laufen ein, waren unterwegs noch was essen und sich aufwärmen, hätten wir besser auch so gemacht, aber wir sind jetzt nun mal hier. Wir sehen noch andere Gespanne ankommen, zwei am Schiebeseil, aber erkennen keins davon; kein Wunder, es ist die Truppe aus Celle, die mit uns zurück nach Kiel fährt. Ein paar davon haben wir letztes Jahr auf Schorpis Herbsttreffen gesehen.

Claudia dröselt, zusammen mit Rudi, ihre letzten Spikes aus dem Hinterrad, die sie am Vorabend nicht mehr geschafft hat; Christiane liegt fluchend hinter ihrem Gespann und fängt damit gerade erst an. Ich bin froh, das gestern Abend bereits gemacht zu haben, da hätte ich jetzt noch weniger Lust zu, als ich gestern schon hatte.

Matze baut sein Beiwagenrad aus Gittis Güllepumpen-Gespann aus, was er ihr geliehen hatte und ihr das bis aufs Unterhemd runter gerittene Beiwagenrad wieder ein, weil er von Kiel auf eigener Achse über Land bis nach Brandenburg fahren wird. Gitti hat nur knapp 40 km, die sie von Kiel aus noch nach Trappenkamp fahren muss, das wird schon gehen …

Dem Erstankömmling aus der Celler Gruppe, der schon mit uns zusammen auf den Platz kam, biete ich meinen Akkuschrauber an, als er anfängt, die Spikes mit dem Schraubendreher zu entfernen. „Nein danke, ich hab schon selbst einen Akkuschrauber, aber ich mach das so, in der Hoffnung, dass mir ein wenig warm wird!“ Na gut, man könnte natürlich auch etwas um den Platz laufen, aber jeder, wie er will.

Nach und nach trudeln die restlichen Eisärsche ein. Chris kommt grinsend auf den Platz, entspannt und ausgeruht nach seiner kurzen Fahrt, eindeutig wieder fit. Mathieu mit dem Anhänger und dem Guzzi-Gerd auf dem Beifahrersitz, der aufgrund von Magen-Darm-Problemen die Strecke lieber im Auto verbringen wollte. Seine Guzzi wurde von Thomas bis Elverum gefahren, bis Thomas fast erfroren in den Klimax-Beiwagen gekrochen ist, Moritz auf den Fahrersitz gewechselt und Martin auf die Guzzi umgestiegen ist. Dem Vernehmen nach hatte Martin so viel Spaß an dem fetten Sound der Guzzi, auch und besonders im Tunnel, dass ihm, im Gegensatz zu Thomas, wohl nicht kalt war.

Rainers Emme verliert am Hinterrad schon wieder Luft, wie es aussieht: „Oh, Rainer, guck mal! Du hast schon wieder nen Platten!“ – „Oh nein, das kann doch nicht sein…“, das ist aber auch wirklich Pech, sein dritter Reifenschaden in dieser Woche! Ein Kompressor kommt zum Einsatz, damit Rainer zumindest auf die Fähre fahren kann, ohne den Schaden noch zu vergrößern; wahrscheinlich ist auch morgen früh noch mal Aufpumpen angesagt, aber bis zum Auerhahn wird’s dann wohl reichen.

Dann geht’s unerwartet plötzlich los, ich stehe mal wieder noch Blödfug sabbelnd am Ende der Schlange herum, und mein Gespann steht ganz vorne, also mitten im Weg, da muss ich doch tatsächlich noch im A4 rennen, weil alles „Geeerd!“ schreit. Natürlich kommen wir dann doch nur bis vor das Schiff, wo man uns locker noch 15-20 Minuten stehen lässt, bevor wir endlich auf die Fähre kommen.

Aber endlich geht’s dann wirklich an Bord und wir fluten den uns zugedachten Teil des Fahrzeugdecks mit tüchtig verdreckten Gespannen und ebensolchen Fahreranzügen:

Von da an geht alles wie schon gewohnt weiter: Ein Foto der Fahrzeugdecknummer machen, Kabine suchen und belegen, die Klamotten wechseln und nach oben aufs Deck, das mitgebrachte „Auslaufbier“ trinken… irgendwo ist‘s sicher schon vier Uhr…

Irgendwann ist es uns draußen zu frisch und wir verziehen uns in die Burgerbar, von wo aus beinahe alles seinen gewohnten Gang geht. Irgendwann jedoch, kurz nach dem Auslaufen, werden wir von der Besatzung während einer Raucherpause vom Oberdeck verscheucht, weil ein Hubschrauber wegen eines Notfalls auf dem Schiff landen soll…hm, hoffentlich keiner von uns! Ein kurzer Check, alle der Unsrigen sind wohlauf, prima!

So schlagen wir in bewährter Manier die Zeit an Bord tot, bis es Zeit für die Koje ist…

11. Februar

Wie am vergangenen Abend bei den Rauchpausen an Deck schon bemerkt, wurde es keine besonders ruhige Überfahrt, was meiner Nachtruhe aber keinen Abbruch tut, sodass ich frisch und ausgeruht, vor meinem Wecker wach werde. Duschen, anziehen und raus aus der Kabine, ich brauche einen Kaffee!

Im Frühstückscafe ist schon Betrieb, auch einige Eisärsche sind schon da.

Mittlerweile sind wir im Bereich des deutschen Mobilnetzes, also nicht mehr allzu weit von Kiel entfernt; überall werden die Smartphones wieder eingeloggt, dutzende Nachrichten trudeln ein, ein ziemliches Geklingel und fast alle melden sich bei ihren Lieben zu Hause als wieder in Deutschland zurück.

Ich gehe an Deck, eine rauchen, und ein laues Frühlingslüftchen empfängt mich. Der Wetterbericht für Kiel behauptet, es seien 6°C, aber es fühlt sich nach der Woche in Norwegen an wie 15°C! Auch Matze grinst: „Was ist das denn, ist ja total warm hier!“ Eine Durchsage in drei Sprachen lässt uns aufhorchen: Wir werden etwa 40 Minuten verspätet einlaufen. Na toll, das kennen wir doch schon von der Hinfahrt! Naja, andererseits vielleicht auch nachvollziehbar: Der Hubschrauber-Rettungseinsatz kurz nach dem Start in Oslo wird Zeit gekostet haben, die aufgrund der unruhigen See dann nicht mehr aufgeholt werden konnte. Also, noch etwas Zeit totschlagen, bis wir dann ins Fahrzeugdeck können. Irgendwann ist es aber dann soweit, das Fahrzeugdeck ist offen und wir kleckern nach und nach dort ein, ziehen unsere Anzüge an und verstauen unsere Klamotten.

Rainers Hinterreifen wurde über Nacht komplett platt, aber nach dem Einsatz des Kompressors ist Rainer guter Dinge, dass er damit bis zum Auerhahn fahren und das Gespann auf den Anhänger packen kann.

Aber das Ausfahren zieht sich dann noch ordentlich hin, irgendwie scheint den Stewards immer wieder etwas Neues einzufallen, unsere Ausfahrt aus dem Schiff noch einmal zurückzustellen: Erst  müssen „vergessene“ LKW noch raus, dann kommt noch eine Ladung PKW, dann ein „übersehener“ Trailer, der von einem Spezialfahrzeug, welches natürlich auch seine Zeit braucht, bis es vom gefühlt anderen Ende des Hafens auf dem Schiff ist, herausgezogen wird, bis schließlich auch noch die Rampe einmal „feucht durchgewischt“ wird, bevor wir, nachdem wir bereits zum vierten Mal unsere Motoren gestartet haben, als Letzte endlich von Bord können. Echt nervig, sowas!

Bis wir dann auf dem Parkplatz sind, wo uns das traditionelle Empfangskomitee Joke und Jule erwartet, sind wir zwar anderthalb Stunden über die Zeit, aber doch quasi zu Hause.

Wir machen noch das Abschluss-Gruppenfoto, anschließend die große Verabschiedungsrunde und fahren dann gruppenweise in verschiedene Richtungen davon.

Wir hängen uns an die Düren/Aachen-Fraktion ran und fahren hinterher. Unsere Gruppe, dadurch etwas größer als die anderen, fährt ja zum Auerhahn, wo unsere Anhänger stehen und nimmt merkwürdigerweise noch eine Stadtrundfahrt durch Kiel mit (mein Navi kommt kaum noch nach mit „Neuberechnen“), aber was soll’s, wir sind eh spät dran und landen schlussendlich tatsächlich auch am Auerhahn. Zum Glück ist es trocken, im Regen aufladen macht wirklich keinen Spaß! Wir rödeln ab, ziehen die dicken Klamotten aus, bauen alles von den Gespannen ab, was auf der Fahrt störend wäre, verloren ginge oder Schaden nähme und laden die Gespanne auf.

Gitti ist unterdessen, eskortiert von Matina und Guzzi-Gerd, nach Trappenkamp zu Alex und Frank gefahren, um das Güllepumpengespann dort abzuwerfen, was Georg und Christa in zwei Wochen von dort mitnehmen werden.

Ich bin mittlerweile fertig mit Auf- und Einladen, Norbert und Chris müssen noch ihre Gespanne festzurren, ich fahre dann schon mal vor nach Trappenkamp, um Gitti mit ihrem Gepäck dort aufzusammeln und sie mit nach Hause zu nehmen, wo ihr Mann sie dann abholen wird. Norbert und Chris werden dahin nachkommen.

Als ich bei Alex und Frank ankomme, freuen wir uns sehr, uns zu sehen, bedauerlicherweise waren sie dieses Mal nicht bei der Eisarschtour dabei; und gerade machen sich Matina und Gerd startklar und auf den Weg nach Hause ins Wendland.

Wir schieben das Güllepumpengespann in die Garage und bestaunen dabei den bis zur „Grenznutzungsdauer“ abgenudelten Beiwagenreifen; Alex bietet leichtsinnigerweise Kaffee an, hm, bei Kaffee bin ich ja völlig skrupellos, „Na klar, aber immer!“. Und natürlich hat Alex auch selbst gebackenen Kuchen (sehr lecker!) am Start und so sitzen wir dann und quatschen, die beiden wollen natürlich auch Einzelheiten von der Tour hören. Dann kommen auch Chris und Norbert dazu und, ist ja klar, wir haben viel zu erzählen von der Woche; wir haben alle Spaß und es wird viel gelacht, aber irgendwann müssen wir, so nett es ist, auch leider los, wenn wir nicht erst mitten in der Nacht ankommen wollen.

Alex, die Gute, kocht mir noch eine Kanne meines Lebenselixiers für unterwegs und dann starten wir gen Heimat. Von Trappenkamp aus erspart es uns den Elbtunnel, wir kommen gut voran, aber das Wetter wird schlecht und es regnet ordentlich. Wahrscheinlich werden die Gespanne so hinterher sauberer abgeladen, als sie aufgeladen wurden. Im Gegensatz zur Hinfahrt habe ich nun angenehme Gesellschaft neben mir, Gitti und ich schwatzen uns gegenseitig so die Tasche voll, dass die Zeit im Nu vergeht. Mit einer Essenspause unterwegs kommen wir recht gut bis zum Kreuz Münster durch, wo Gitti und ich die Autobahn wechseln, während Chris und Norbert auf der A1 bleiben, was für uns ein Umweg wäre.

Das trotz des tüchtigen Regens immer noch ziemlich verdreckte Gespann lasse ich auf dem Anhänger und stelle diesen in der Schrauberhalle in der Nachbarstadt ab, bevor wir zur letzten Etappe nach Heiligenhaus aufbrechen, wo mich meine Liebste bereits sehnsüchtig erwartet und froh ist, mich unversehrt in die Arme nehmen zu können. Zehn Minuten später kommt auch schon Klaus, Gittis Mann, und holt sie ab. Das Auto ausräumen kann ich auch morgen noch, nach Feierabend, und so sitzen meine Liebste und ich noch bis spät in die Nacht und erzählen…

So war mein Eisarsch 2024!

Die Nachbetrachtung:

Das war nun mein viertes Mal mit den Eisärschen in Norwegen und es war, wie auch gar nicht anders erwartet, wieder richtig toll!

Das fing mit den persönlichen und gemeinschaftlichen Planungen, Reisevorbereitungen und Schraubereien unserer regionalen Gruppe mit Rainer, Norbert und Chris, sowie der Krefelder Gang mit Uwe, Henning und Britta an, und ging mit telefonischen Tipps und Ratschlägen quer durch die Republik weiter.

Man kann zwar (und sollte es auch!) sich selbst und sein Gespann sicherlich auf Vieles vorbereiten, was einen dort treffen kann, aber auf manche Dinge hat man halt keinen Einfluss, und die muss man dann auch einfach so nehmen, wie sie sind:

Das Wetter, die Unterkunft und das Wichtigste: Die Mitreisenden!

Mit dem Wetter hatten wir dieses Jahr echt Glück, es war zwar so kalt, wie ich es noch nie im Leben erlebt habe, dafür aber hatten wir es überwiegend trocken mit Sonnenschein, weder Sturm noch trübes Wetter, und zu warm oder gar matschig war es auch nicht. Die Unterkunft kannte ich ja bereits, sowohl das Haupthaus, als auch die Hütten und fand beides damals schon prima, obwohl jedes natürlich sein Für und Wider hat.

Das Beste an der Eisarsch-Tour jedoch sind die Mitreisenden:

Es ist keine geschlossene, verschworene Gemeinschaft, wie man vielleicht annehmen könnte, nein, ausnahmslos alle sind ausgesprochen freundlich, aufgeschlossen und hilfsbereit, – wirklich nur zum Gernhaben. Das bedeutet jetzt nicht, dass da niemand mit Ecken und Kanten wäre (und wer hat die nicht), jeder hat auch schon mal einen gebrauchten Tag; auch dumme Sprüche, Spötteleien und nett gemeintes Gefrotzel muss man schon abkönnen, aber:

Ein solches Maß an solidarischer Gemeinschaftlichkeit und Wertschätzung habe ich bisher in einer solch gemischten Gruppe dieser Größe nirgendwo erlebt!

Das war bei meiner ersten Teilnahme so, was man noch als euphorische Verklärung hätte abtun können, sich aber jedes weitere Mal, bei dem ich dabei war, aufs Neue bestätigt hat.

Wer als Neue/r dabei ist, und das will, findet sofort Anschluss, auf schwächere Fahrer/innen wird Rücksicht genommen, bei Pannen oder Schäden gibt es nicht nur Zuschauer (die auf jeden Fall!), sondern es sind immer welche am Start, die helfen wollen und das sogar auch können. Für beinahe jedes Problem gibt es nicht nur reichlich gute und gut gemeinte Tipps, sondern immer tatsächlich auch jemanden, der helfen kann und es auch tut.

Dadurch sind in den Jahren auch echte Freundschaften entstanden, die ich nicht mehr missen möchte.

Die ursprünglichen Bedenken aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis: „Boah, so viele unterschiedliche Leute? Und dann in so ner anstrengenden Umgebung und auf engem Raum? Das stell ich mir echt stressig vor!“ entbehrten tatsächlich jeder Grundlage.

Offenbar hatte Georg bei der Auswahl der Teilnehmenden über die Jahre echt ein glückliches Händchen…

Bedenklich war für mich der relativ hohe Krankenstand unter den Teilnehmenden, ich hoffe, es sind mittlerweile alle wieder auf dem Damm!

Die Jialing

Meine Jialing hatte ich nun zum zweiten Mal in Norwegen dabei. Die beim ersten Mal auftretenden kleineren Unzulänglichkeiten hatte ich abgestellt bzw. beseitigt und war dadurch, selbst nach meinen persönlichen, zugegeben ziemlich perfektionistischen, Ansprüchen, beinahe perfekt vorbereitet. Bis auf den verlorenen Kettenschutz (selbst der gute chinesische Kunststoff wirft bei solchen Temperaturen das Handtuch, haha) hat fast alles tadellos funktioniert, und die gelöste Polklemme am letzten Tag verzeihe ich ihr…

Da ja bekanntlich nach dem Eisarsch vor dem Eisarsch ist, und sonst an der Jialing alles tutti ist, ist für nächstes Jahr bereits eine verbesserte Version des Kettenschutzes in der Planung (sonst hätte ich ja gar nichts mehr an der Jialing zu tun!)…und ja, natürlich bin ich nächstes Jahr wieder dabei!

2 thoughts on “Gerds Eisarsch 2024”

  1. Vielen Dank an alle, deren Fotos ich verwenden konnte, um bei den Teilnehmenden schöne Erinnerungen zu wecken und denen, die nicht dabei waren, die Woche „bildlich“ näher zu bringen!

    Gerd

  2. Vielen Dank für den spannend geschriebenen Bericht!
    Ich bin zwar auch schon mit der Emme im Winter gefahren, aber das wäre mir definitiv zu kalt…… Daumen hoch!!!

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