Abib 2016 – ein paar Tipps für reisekranke Anfänger

Ich war da. Ich habe den Polarkreis gesehen. Ich bin auf eigenen Rädern hin und wieder zurück gekommen, 4600 Kilometer. Auf ner 40 Jahre alten MZ. Und ich habe sehr viel gelernt – vor allem über mich.

mz-lapplandDa wäre zuerst die Wand, in die ich gefahren bin. Keine Schneewand, sondern eine konditionelle. Zwei Tage mit den „Jungspunden“ haben mir sehr schmerzhaft meine Grenzen aufgezeigt. Nein, mit 52 fährste anders als mit 25. Am zweiten Tag habe ich mich auf die Hauptstrecken verabschiedet, bevor ich pennend vom Mopped gefallen wäre. Die Selbsterkenntnis war lehrreich.

Ein großer Dank geht an Michi: Ohne ihn wäre 20 km hinter Oslo Schluss gewesen – er fand den Defekt an meinem Vape-Strecker. Toni hat mich von der Autobahn geschleppt, die Truppe war begeistert, zwei Pannen in zwei Stunden, nachdem schon bei der Abfahrt von der Fähre die unterdimensionierte Hauptsicherung den Geist aufgab. Toller Anfang!

Georg schrieb in seinem Forumsbeitrag über „gruppenhydraulische Unstimmigkeiten“  – stimmt, die Gruppe war sehr heterogen, manche Reibereien habe ich als unnötig empfunden. OK, ich hatte das langsamste Mopped, ich bin bekennender Nichtschrauber, der sich auf seine Werkstätten (Danke Lutz, danke Knut) verlässt. Erwähnte ich, dass ich es trotzdem geschafft habe?  4600 Kilometer in 14 Tagen!

mz-polarkreisWie ist das Fahren im Norden denn nun? Man soll es nicht glauben: Einfach – Wenn die Ausrüstung stimmt! Wie schon oben geschrieben, bin ich nicht die kleinen Nebenstrecken gefahren, aber auch auf den Hauptstrecken hast Du hunderte Kilometer vereiste Strecke.

Zur Ausrüstung – und das sind meine persönlichen Erfahrungen:

  • Fahreranzug: Der A-4 Anzug ist derzeit wohl das Maß aller Dinge. Und bezahlbar ist er auch.
  • Helm: Ohne Heizvier geht nix. Nada. Ich hatte einen SOL-Helm und bin trotz Verarbeitungsschwächen zufrieden, geht aber lange nicht allen so.
  • Neben guten Stiefeln von Sorel oder Kamik helfen beheizte Sohlen, siehe Keis. Die Füße werden eigentlich erst kalt, wenn die Socken nicht mehr trocken sind – das kann auch der Schweiß sein, der in den warmen Botten entsteht! Nebenbei: Eine Stromregelung oder ein simpler Ein/Aus-Schalter für die Sohlen sind hilfreich! Schrauberfürsten legen alle Kabel in einem zentralen Magnetstecker zusammen und steuern per Poti die Leistung.  Elektrik allgemein: Nie drauf verlassen! Heute kannste alle Klamotten auch geheizt kriegen, besser aber: Dein Zeug funktioniert im Notfall auch ohne Stromquelle. Da oben sind bis -40 Grad möglich, wenn dann die Elektrik ausfällt, stehst Du in 1.000 Jahren vielleicht als nächster Ötzi im Museum…..
  • Stulpen und Griffheizung sind obligatorisch. Gute Stulpen gibt es von Tucano, Bagster oder Wunderlich. Ich bin mit Wunderlich-Stulpen durchgehend mit Fleece-Handschuhen gefahren, die Griffheizung habe ich nur selten gebraucht.

Mit dem oben genannten Zeug habe ich nicht eine Minute gefroren!!

  • Reifen: Ich bin vorne K41 mit Spikes gefahren, hinten IRC Urban Snow. Für Anfänger: Verpass allen drei Rädern Spikes, dann bist Du auf der sicheren Seite. Ich kann über mein Setting nicht meckern, die vereiste Strecke habe ich nach hunderten von Kilometern erst wahrgenommen, als ich für ein Foto vom Mopped stieg und im selben Moment auf der Nase lag 😉
  • Camping: Ja, geht auch. Aber da wird es arg heftig. Ich hatte das Vergnügen nur eine Nacht und empfehle meine Ausrüstung:
    Zelt: Husky Falcon 2, Geodät, schnell aufgebaut, günstig. Isomatte: Exped Downmat 9 LW, teuer, isoliert bis minus 38 Grad, gut, aber übelst aufzublasen. Schlafsack: Carinthia Defence 6, wer darin noch friert, dem ist nicht mehr zu helfen. Allerdings ist das Teil ENG. Wenn Du nicht ein Hänfling bist, kriegt der Name Mumienschlafsack eine ganz neue Bedeutung. Ging aber 🙂zelten-schnee
  • Sonstiges: Eine Scheibe schützt vor Eis und Schnee und Wind, Die Elektrik sollte gut geschützt sein, das Mopped gegen Salz vorbereitet. Viel Fett hilft!

Dazu ein Link – Pflichtlektüre für alle Winterfahrer, oder die, die es werden wollen!

Zur Technik: Jaaaa… ich kann gerade mal mit Not eine Zündkerze wechseln, ohne das Gewinde auszureißen (witzigerweise war meine zweite Panne nach dem Stecker am ersten Tag von der Sorte Kiste-rollt-aus-und-du-weisst-nicht-warum eine defekte Kerze). Und darum schreibe ich hier für alle, denen es genau so geht, wie mir:

Macht es! Denkt nicht zu viel! Fahrt los!

blick scheibe

Aber wie? Such eine vertrauenswürdige Werkstatt. Erzähl denen, was Du vorhast. Such Dir Gleichgesinnte und saug Erfahrung auf (die Whatsapp-Gruppe zur Tour hat 13.000 Einträge in 8 Monaten produziert, was denkst Du, woher ich mein Wissen habe?). Die beste Adresse, um Reisetipps zu bekommen, ist das HUBB – Horizons Unlimited Bulletin Board. Vernetz Dich dort, komm zu den Treffen!

Zum Thema Werkstatt: Ich muss hier noch mal eine Lanze für HKB Motorrad in Pforzheim brechen – die Jungs sind keine Teiletauscher, die haben sich richtig einen Kopf gemacht. Aus meinen wüsten Ideen wurden praktikable Lösungen. Ganz ehrlich? Wenn ihr nicht am anderen Ende Deutschlands wohnt, ist das eine empfehlenswerte Adresse. Und für gute Arbeit darf man sich bedanken, auch wenn man dazu die Lokalpresse bemühen muss.

Such Dir Deine Mitfahrer aus! Passen die zu Dir? Lern die Leute persönlich kennen! Menschen sind verschieden, Du kannst halt net mit jedem.

Rentier auf der Straße
Rentier auf der Straße

Zur Reise selber: Schnee, Eis, Kälte. Wunderschön. Nimm Dir mehr Zeit, als wir es getan haben. Genieß die menschenleeren Strecken in Lappland, wo selbst die Rentiere nicht freiwillig von der Straße gehen. Und fahr ein ordentliches Mopped! Problemlos durchgehalten haben die Urals, die BMWs und die MZs – hängt auch vom Budget ab 🙂

Ankunft Oslo - da geht die erste Sicherung durch
Ankunft Oslo – da geht die erste Sicherung durch

So, Zeit für einen Werbeblock! Warum fahre ich so eine Tour überhaupt mit einer steinalten MZ? Mit meinen 189 cm sitze ich darauf wie ein Affe auf dem Schleifstein und meine 20 Kilo Schönheitsüberschuss *hust* machen das Ganz auch nicht bequemer! Aaaber: Viel kann an so einer Kiste auch nicht kaputt gehen. Meine Pannenstatistik: Vier Sicherungen (mehr oder weniger selber schuld), eine Kerze, ein nicht wasserdichter Stecker (siehe oben), und eine sich längende Kette, die mich täglich zum Nachspannen zwang – keine Ahnung, was da los ist, ich suche noch den Fehler. Und während meine lieben Viertakt-Kollegen morgens mit Fön, Kocher und Starthilfe ihre Moppeds belebten, reichten selbst bei minus 30 Grad drei bis vier Tritte, um die MZ zum Leben zu erwecken. Merke: Wenn Du net viel kannst, nimm ein Mopped, das nicht viel Technik hat. Ich hatte Radlager, Bowdenzüge, Kerzen und Kerzenstecker dabei – hätte ich mal ne Kette und Ritzel eingepackt, aber hinterher biste eh immer schlauer. Nebenbei: Beim Werkzeug einpacken mitdenken! Nichts macht mehr Spaß, als festzustellen, dass man die passenden Schlüssel in der Garage gelassen hat – da können sie wenigstens nicht rosten.. Ich durfte unterwegs so einiges nachkaufen… Um einem Missverständnis vorzubeugen: Eine MZ magst Du zwar halbwegs billig kriegen, aber wenn Du nicht der Schraubergott bist, steckst Du für so eine Tour Geld rein! In meinen Eimer sind mit Anschaffung, Motorrevision und Winterumbau gut fünf Riesen geflossen!

Neugierig geworden? Frag mich unter karalus@eisarsch.org. Oder komm zum Horizons Unlimited-Treffen.

PS: Alle Links zu genannten Produkten sind Google-Schnellschüsse. Ich kriege (leider!) keine Provision, wenn Du irgendwas kaufst, das sind meine eigenen, komplett ungesponserten Erfahrungen.

PPS: Shit happens! Auf dem Weg zum Horinzons Unlimited Treffen im Mai blieb mir die Kiste auf dem Walldorfer Kreuz mit Motorschaden liegen – keine 100 Kilometer nach der Tour. Vermutlich ein hochgegangener Kolbenring. Das würde auch die geringe Leistung erklären. Geez, habe ich ein Glück!

Lieben Gruß, Michael

Micha
Micha

3 thoughts on “Abib 2016 – ein paar Tipps für reisekranke Anfänger”

  1. Zum „PS:“ :
    Warum packst Du dann den ganzen Kram rein? Weil man das grad so macht?
    Kopfschüttel.
    Für mich ist das unverständlich; da ich die letzten Tage viel Zeit hatte, Reiseblogs zu lesen, bin ich inzwischen dazu übergegangen, nur noch Blogs ohne maschinengewehrartig gestreute Links überhaupt zu lesen. Besteht denn das Leben nur noch aus Werbung?
    Wenns wen intressiert, wird er doch hoffentlich fragen, denk ich.
    Nur meine Meinung.

    1. Hallo Roll,
      danke für das Feedback! Gerade in einem Text, der Tipps geben will, halte ich die Verlinkung für ganz hilfreich. Besser als jedes Schlagwort selber googlen, oder? (BTW: Waren Hyperlinks nicht mal das coolste, was das Internet so zu bieten hatte?^^)
      lg, Michael

  2. Bissl lag, ist schon paar jahre alt 😛 aber grade erst gelesen,. und vlt. fährt man mal zusammen, üplanung steht 😀
    “ Vermutlich ein hochgegangener Kolbenring. “ ?WTF
    Bei meiner 250er war keiner mehr vorhanden, und auch die „stege“ zwischen den Kolbenringen waren weg, als die wirklich nicht mehr den Berg hochwollte. Was die alles aushalten musste, und auch hat. Aber jetzt sind die einfach zu sauteuer.

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